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23.01.2020
Drag Queens
Opulentes Make-up, schrille Kostüme und eine Geschichte von Rebellion
Doch bevor wir uns in die kunterbunte Welt der falschen Wimpern, Föhnfrisuren und tucking slips begeben, ein bisschen Aufklärungsunterricht. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Trans und Drag? Und was bedeutet das ganze überhaupt?


#Transgender
Bezeichnet alle, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren können, welches ihnen nach Geschlechtsmerkmalen zugeordnet wurde. Aber nicht alle Menschen, die sich als Transgender einordnen, wollen auch ihr biologisches Geschlecht ändern lassen. In Deutschland musste man sich bis 2011 geschlechtsangleichend operieren lassen, um auch auf dem Papier das gewünschte Geschlecht eintragen zu dürfen. Das ist nun verfassungswidrig.

#Transsexuell
Ist eine Untergruppe der Transgender. Transsexuelle haben meist einen Geschlechtsangleichungswunsch und fühlen sich im falschen Körper gefangen. Sie lassen oft mit Hilfe von Hormonbehandlungen und einem chirurgischen Eingriff irreversible Veränderungen vornehmen um den für sie richtigen Körper zu erhalten.

#Cross-Dressing
Bezeichnet das Tragen der Kleidung eines anderen Geschlechts, Privat und in der Öffentlichkeit. Bekannt aus dieser Szene sind zum Beispiel Herren die gerne Damenslips oder High Heels zu ihrer Tageskleidung tragen.

#Drag/ Travestie
sind anatomische Männer oder Frauen die das andere Geschlecht in einer extrem überzeichneten Weise rein künstlerisch darstellen. Viele dieser Travestiekünstler wechseln problemlos zwischen beiden Geschlechtern und tragen durchaus auch gerne Kleidung entsprechend ihrem Geschlecht oder gehen heterosexuelle Beziehungen ein, denn Drag hat meist nicht viel mit der sexuellen Identität zu tun. Oftmals sind sie buchbare Bühnenkünstler, die tanzen, singen oder performen als Comedy Act. Es gibt viele verschiedene Arten seinen eigenen Drag auszudrücken. Das Repertoire erstreckt sich von Starimitationen oder Parodien über eigens geschaffene Kunstfiguren, fleischgewordene Frauenklischees, Symbiosen aus Mann und Frau, androgyne Models bis hin zu lebender Kunst.


Als Galionsfigur der LGBT Gesellschaft, stehen sie bei politischen Protesten, Demos und Christoper-Street-Days in vorderster Reihe. Drag ist häufig politisch und vor allem Gesellschaftskritisch, denn es sprengt die Normen und stellt die Erwartungen an Geschlechterrollen in Frage. Als Botschafter für Vielfalt versuchen sie den Horizont der engstirnigen, breiten Masse zu erweitern, was zu heutiger Zeit noch immer eine Notwendigkeit ist. Auch wenn wir in Deutschland es im Jahr 2017 geschafft haben die gleichgeschlechtliche Ehe zu integrieren, gibt es noch viele Länder der Erde die sich fernab des 21. Jahrhunderts befinden was die Akzeptanz von Individuen angeht. Länder in denen „nicht eindeutige Heterosexualität“ im besten Fall unter Freiheitsstrafe steht. Aber die letzte Wimper ist noch nicht geklebt. Wenn man nicht den Normen entspricht, ist der Protest um sein Dasein schließlich ein Dauerzustand.

Doch woher kommt die Travestie ursprünglich? Der Begriff kommt aus dem Lateinischen „trans = hinüber“ und „vestire = kleiden“. Also „hinüberkleiden“ und bezeichnet ursprünglich die Darstellung einer Theaterrolle des anderen Geschlechts. In der griechischen Antike wurden am Theater alle Rollen von Männern gespielt und auch im England des 16.Jahrhunderts waren Frauen auf der Bühne noch unerwünscht. Das Ballett der italienischen und französischen Fürstenhöfe war ebenfalls den Herren vorbehalten. Dementsprechend war es üblich sich als Herr der Bühnenkunst seiner weiblichen Rolle entsprechend zu kleiden und zu verhalten. Einem Gerücht nach soll bereits Shakespeare seine Stücke mit der Randnotiz „Drag“ versehen haben, dem Kürzel für „dressed as Girl“ und diesen Ausdruck damit nachhaltig geprägt haben. Bekanntlich wurden zu seiner Zeit alle weiblichen Rollen von jungen Männern, den „boy actors“ gespielt.  

Ob hier der Ausdruck „Drag“ wirklich herkommt lässt sich natürlich heute nicht mehr nachvollziehen. Ru Paul, die wohl berühmteste Drag Queen der Welt, ist der festen Überzeugung, dass dies die Wurzeln sind und erzählt diese Geschichte mit Vorliebe in Interviews. Sie ist seit Jahrzehnten Ikone der Szene, Schauspielerin, Sängerin, Model und preisgekrönter Showmaster, als Drag sowohl als Herr, mit internationaler Fangemeinde und einem Stern auf dem Walk of Fame. In seiner Show „Ru Pauls’s Drag Race“, die dank Netflix nun auch in Deutschland Anschluss gefunden hat, kann man in 11 Staffeln Queens beim Wettbewerb um die Krone zuschauen. Außer Drama, Make-up und herrlich unterhaltsamen Comedy-Einlagen erfährt man hier auch von der schrecklichen Grausamkeit, die diese Queens in Kindheitstagen und auch noch als Erwachsener ertragen mussten; sei es durch Fremde, Mitschüler oder die eigene Familie. Abgerundet wird das Showmodel mit regelmäßigen Seitenhieben auf Präsident Trump und anderen dezent politischen Meinungen. Aber auch in Deutschland finden sich berühmte und gesellschaftlich etablierte Queens, wie Lilo Wanders, Olivia Jones oder das Duo Mary & Gordy, die unser Bild auf die Verwandlungskunst nachhaltig geprägt haben und uns seit Jahrzehnten unterhalten. Drag soll Spaß machen. Wer schon einmal eine Show besucht hat, in einem der mittlerweile zahlreichen Travestietheater kann bestätigen, dass dem definitiv so ist. Jeder der vor Mitte der 80er geboren wurde hat wohl schon einmal „Wa(h)re Liebe“ geschaut oder zumindest davon gehört oder sich köstlich über die Rocky Horror Picture Show amüsiert. Als Freddie Mercury in „i want to break free“ als Hausfrauchen mit Schnauzer die Bude gesaugt hat oder Conchita Wurst als bärtige Lady den Eurovision Song Contest gewann, wurde Drag-Geschichte geschrieben. Jeden Tag ein Stückchen mehr in Richtung Akzeptanz für alle.

Um es mit Ru Paul’s Worten treffend abzuschließen:
“If you can't love yourself, how in the hell you gonna love somebody else?!”


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